Donnerstag, 22. September 2011

Wir armen Reichen!

Maria Fekter und ich haben Sorgen. Feindbilder quellen derzeit wie Pickel auf Pubertierenden. Die europäische Klassengemeinschaft ist in Gefahr. Lassen Sie mich die mahnenden Worte Fekters zitieren, die ja quasi unser Klassenvorstand ist: "Außerdem bauen wir gerade enorme Feindbilder in Europa gegen die Banken, die Reichen und die Vermögenden auf. So etwas hatten wir schon einmal, verbrämt gegen die Juden, aber damals waren ähnliche Gruppierungen gemeint. Es hat das zweimal in einem Krieg geendet."
 
Arg, nicht?! Ich habe Angst und fühle mich verfolgt. Sie können sich nicht vorstellen, wie ich angezischt werde, wenn ich meinen SUV vor dem Stammbeisl einzuparken versuche. Einen Pelzmantel wage ich gar nicht zu tragen! Bald kommt einer vom Pöbel daher und pickt mir ein gelbes Zetterl mit „Reiche Sau“ drauf. Dabei spende ich gerne, armen Freunden ein Bier zum Beispiel. Und die Trauben für meinen Champagner sind fair gehandelt.

Sie werden sich fragen, wann ich den Aufstieg in die gehobene Mittelklasse geschafft habe. Nun, ich bin durch das eifrige Verfassen von Kolumnen und die Rückgabe aller meiner Pfandflaschen zu leichtem Wohlstand gekommen. Also nicht direkt durch diese Tätigkeiten, sondern durch die Veranlagung in einem Hedgefonds, aber das ist eine andere Geschichte. Jedenfalls lasse ich jetzt mein Geld arbeiten und mache so einen Arbeitsplatz frei.

Wird mir das als Altruismus angerechnet? Nein! Stattdessen werden wir Leistungsträger diffamiert, dass einem schiach wird. Bitte da macht auch die Bibel keine Ausnahme – Menschen mit einem Tier (die Sache mit dem Kamel im Nadelöhr) zu vergleichen, ist der Anfang von allem Übel. Da muss sich auch die Kirche fragen, ob sie nicht zum Aufbau von Feindbildern beiträgt!

Dienstag, 28. Juni 2011

Wie ich das Jugendproblem zu lösen gedenke

Der junge Mensch ist heute offenbar viel zu lasch, seinen revoltierenden Part im natürlichen Kampf der Generationen zu spielen. Die Älteren leiden darunter, da sie sich nicht mehr artgerecht über die Jugend von heutzutage echauffieren können. In ihnen lodern folglich überschüssige Gefühle, die Gattin oder Dackel ausbaden müssen. Die schädliche Artigkeit der Jungen sei eine Folge der Verhausschweinung des Menschen, befinden Soziologen. PlayStation und Wii wirkten dabei als Domestikationsmittel.
Naja, ich kann das so nicht bestätigen, und ich habe in meiner Kindheit viel Tetris gespielt. Ich bin zwar auch nicht mehr jung, aber in mir rumort es noch 24 Stunden am Tag! Erst jüngst habe einem Kellner in klaren Worten Bescheid gesagt, dass der Spargel schon ein bisschen holzig gewesen sei. Ständig arbeite ich am Umsturz der Verhältnisse. Zum Beispiel gegen die Öko-Diktatur. Zum Teufel mit der Mülltrennung, ich bin gegen diese materielle Apartheid! Bei mir dürfen weißes und buntes Glas miteinander liegen.
Gut, ich sollte ehrlich sein. Es rebelliert in mir eigentlich nur noch ca. acht Stunden am Tag. Vierzig Stunden in der Woche. Wer 33 Herbste zählt, muss auf seine Ressourcen achten. Jesus war in meinem Alter schon tot. Das möchte ich der Jugend gerne auf den Lebensweg mitgeben: Verschwendet euch nicht frühzeitig!
Wofür wollen die Jungen heute überhaupt kämpfen? Arbeit? Lohnt sich doch nicht. Sie könnten aber meinetwegen AMS-Berater werden und das System von innen heraus vernichten, indem sie Vegetarier in die Schlachthöfe vermitteln. Oder Menschen mit Matura zur FPÖ. Oder mich in den Nationalrat. Dort wäre ich zur Innenministerin so höflich, dass sie ihr unverbrauchter Groll mürbe und menschlich macht.

Dienstag, 31. Mai 2011

In Echt ist keine Frau dick

In Wahrheit sei es doch so, sagt Franz, dass nichts real sei. Da könne man in der Fiktion doch ruhig ein bisschen schwindeln. „Wirklich?“, frage ich. Ja schon, denn im Virtuellen sei das Echte fiktional, sagt Franz. Der Weise wisse, dass ein authentisches Leben in Realität eine Vielzahl an Narrationen sei. „Herrjeh, du bist mir irgendwie keine Hilfe“, seufze ich und trinke aus.

Wir schweigen lang genug, um das Thema wechseln zu können. „Ich muss weniger Bier trinken, ich gerate aus den Fugen“, sage ich, meinen Bauch in Händen. Da sei ich wahrhaftig der nächsten verschleiernden Erzählung auf den Leim gegangen, ich litte in Echt unter Dysmorphophobie. „Soso, aha“, brumme ich. Das sei die wahnhafte Überzeugung, körperlich defekt und ästhetisch deviant zu sein, sagt Franz. Realistisch betrachtet oktroyiere die kapitalistische Verwertungslogik den Damen, sie seien zu feist – und zwar alle. „Ich bin erleichtert, dass ich objektiv betrachtet tipptopp aussehe“, antworte ich und mache mir den Knopf der letzten Hose auf, die mir noch passt.

In der Zwischenzeit haben zwei neue Biere unseren Tisch und unsere Schlünde erreicht. Von außen gesehen sei es ein Akt des Widerstandes gegen das Schweinesystem, sich zu berauschen, sagt Franz nach einer Pause. „Das habe ich irgendwo schon einmal gehört“, meine ich. Nein, in Wahrheit seien wir ja schon so gleichgeschaltet, dass wir untertags willenlose Rädchen in der großen Maschine seien und abends unsere Rest-Resistenz durch televisionäre Konsumation kulturimperialistischer fiktionaler Machwerke im Keim erstickt würde. „Ja eh“, ächze ich, denn Franz kommt beim dritten Bier stets auf diese Ansicht.

Was ich denn jetzt wirklich für die „Streifzüge“ schreiben wolle, sagt Franz schließlich. „Keine Ahnung, ich denk’ mir irgendwas aus“, sage ich und Franz sagt: „Echt?“

Donnerstag, 7. April 2011

Sicherheit – auch an den stärkeren Tagen

Immer wenn sie mir entgegenkommen, sticht’s in meinem Herzen. In Linz werden sie ungern geduldet, in ihren roten Uniformimitaten und in ihrem sehr festen Schuhwerk. Und so kommt es, dass sich die neuen Stadtwachen mit misstrauischem Blick und nur zu zweit durch die Stadt wagen. Nachvollziehbar. Da schaut ein Migrant aufsässig, dort zischt ein Gutmensch, hier lässt ein Kleinkind das Eisstanitzel auf den Boden fallen. Dabei sieht es eh schon so aus in Linz! Wissen denn die Menschen nicht, dass Unordnung auch das Ende der Sicherheit bedeutet? Heute ist es nur Speiseeis, aber morgen fallen vielleicht schon die Werte des Abendlandes zu Boden!

Ich, die ich immer schon auf der Seite der Schwachen und Missachteten stand, halte den Sicherheitswächtern zu. Die anderen Passantinnen sollen sehen, dass das Menschen mit gutem Willen sind. Oft und bewusst wende ich mich mit Anliegen an sie. Etwa wenn allzu kurze Lederhosen und offene Dirndlblusen meine ästhetischen Gefühle schmähen. Oder wenn Menschen, die in Naturkatastrophen Gottes Strafe sehen, meine religiösen Gefühle verletzen.

Nachdem der Sicherheitsdienst eine Erfindung jener ist, die sich mit Volksverunsicherung auskennen, wähne ich mich hier an der richtigen Adresse. Doch ich scheine zu irren. „Verzeihung, darf ich ein Stück des Weges mitgehen? Ich fühle mich heute besonders unsicher“, fragte ich jüngst ein Ordnungspaar. „Wohin wollen Sie denn?“ „Nur nicht alleine sein in diesen Zeiten! Ich weiß, dass wir unsere innere Sicherheit unrettbar verloren haben, aber im Lichte ihres Eifers sucht es sich zumindest leichter!“ rief ich noch, aber da waren mir die Rotjacken schon eilenden Fußes entwichen.

Donnerstag, 20. Januar 2011

Prämien statt Tsunami

Das Kirchenvolk wandert ab. Man spricht von einer Austrittswelle, aber es wäre die Rede von einem Austritts-Tsunami auch nicht übertrieben. Wäre ich Kardinal Schönborns PR-Beraterin, hätte ich ihm empfohlen, den Vergleich mit den Austritten zu NS-Zeiten nicht selbst zu bringen, sondern das den geifernden Medien zu überlassen.

Mich beunruhigt dieses Scheiden der Lämmer. Ja wirklich! Vielleicht, weil ich ein nostalgisches Gemüt habe. Darum will ich jetzt so tun, als sei ich des Kardinals Richelieu.
Der katholische Mitgliederschwund ließe sich meines Erachtens durch zwei sehr einfache Taktiken stoppen. Erstens muss sich die Kirche wieder mehr auf ihre Unique Selling Proposition konzentrieren. Was macht das Unternehmen Jesus einzigartig? Das Heilsversprechen! Hoffnung wird nie unmodern.

Zweitens: Der postmoderne Mensch ist leider gieriger geworden. Als ich einst bei einer Zeitung arbeitete, kündigten etliche langjährige Abonnenten. Weniger weil sie unzufrieden waren, sondern weil sie keine Geschenke für ihre Treue bekommen hatten. „Das ist so was von ungerecht!“ riefen sie mit vor Ungerechtigkeit bibberndem Kinn ins Telefon. „Die neuen Abonnenten bekommen die Vignette und ich schaue durch die Finger!“ Kundenbindung lautet das Stichwort. Zudem hapert es seit dem Ende der Missionierung bei der Anwerbung neuer Mitglieder. Wie wär’s mit einer Prämie? Beim Alpenverein bekomme ich dafür drei tolle Wanderkarten.

Warum also nicht neuen Mitgliedern eine schöne Urkunde mit der christlichen Erlösungslehre überreichen, Anwerbern einen Hotelgutschein als Domeremit, langjährigen Kirchgängern eine handgeschnitzte Marienstatue? Und ungefragten Ratgeberinnen eine kleine Aufwandsentschädigung und das Seelenheil?